statement
    2010
 Spannungsfeld zwischen Natur und Eingriff in diese,  verschiedene Sichtweisen und Überschneidungen - Frage nach den Grenzen: wann  beginnt Leben, wie wird in den natürlichen Prozess eingegriffen? Grenzen geben  ein Gefühl von Sicherheit, engen aber auch ein und behindern. 
    Wie wird wahrgenommen, wo sind Brüche. In meiner  Arbeit ist Licht und Luft, Material und Symbol für Leben und Natur. 
    
    
    
    Mit  den Füssen auf dem Boden den Blick nach oben gerichtet, finde ich Luftlinien  als Zeichenmaterial für meine grafischen Bildarbeiten. Linien, Kondensstreifen  von Flugzeugen in den Luftraum geschrieben, fixiere ich zweidimensional auf dem  Foto als alltägliche Gegebenheit. Diese Luftlinien weisen auf globale  Vernetzung, Kommunikation, technische Machbarkeit und Fortschritt, sowie auf  bewusstes und unbewusstes Überschreiten von Grenzen in Bezug auf Eingriff in  natürliche Ressourcen wie Luft und Atem als Leben bedingendes und erhaltendes  Element. 
    Auch  ich greife ein, bearbeite die Bilder spielerisch, überlagere diese digital,  verdichte, lösche, kontrastiere und verwische real erkennbare dahinter liegende  Zusammenhänge.
    
    »Luft  als Material« wird zu abstrakten, schwarz – weiß, Licht - Schatten Bildwelten,  betitelt als Luftstriche – Linien – Streifen – Lufträumen, werden sie so  sichtbar – unsichtbar, veränderbar, permanent unbeständig, wieder hinterfragt.
    Wenn  unter Aufhebung der Grenzen zwischen Realität und Fiktion, die real umgebende  Welt mit der eigenen Wahrnehmung als untrennbar verbunden erlebt und angenommen  werden kann, entsteht einzigartig Neues, Ganzes. Aus diesem Wechselspiel von  aussen - innen entstehen ebenso meine eigenen fragilen Bildwelten.  
    
    Abstrakte  Luftlinienzeichnungen, Geflechte unendlicher Luftlinien, sind Ausdruck meiner  momentanen veränderbaren persönlichen Seh – und Empfindungsweise. Diese  fiktiven Bildräume laden kommunikativ zu unvoreingenommener individueller  Wahrnehmung und Interpretation ein. Phantasie soll freigelegt werden um sich  selbst zu spüren.
    
  
Ebenso arbeite ich zu diesem Thema mit Codierungen.  Codierungen, Ordnungssysteme, Regeln finden in allen Bereichen des täglichen  Lebens Anwendung und bestimmen bewusst und auch unbemerkt das Leben. Im  Wirtschaftsbereich, Handel, mittels Barcode, Leben und Lebendiges als Gegenpol,  finde ich in der Darstellung der genetischen Codierung in Autoradiogrammen von  Sequenzgelen. In der optischen Darstellung besteht ähnlichkeit, ich vermische  und überlagere Bar- und Gencodes sodass nicht mehr getrennt wahrgenommen werden  kann. Diese Vermischungen finden im täglichen Leben statt, das Verschwimmen der  Grenzen zwischen Bar- und Gencode bedeutet das Ineinanderübergehen von Ideellem  und Materiellem, Wirtschaftsinteresse und Natur – oder Klartext, Fakten  überlagert von bestechend schönen Bildern aus dem Mikrobereich des Labors.
    
    Ich vermische und überlagere die Codes optisch,  fräse in die Oberfläche von transparenten Acrylplatten, und zeige diese  Verletzungen. Die abgefrästen Stellen schwärze ich mit Graphit, stelle mehrere  Platten hintereinander sodass sich die Codes   überlagern, verdichten, verdunkeln und Schatten werfen. 
    
  
Mit Licht verbinde ich  unterschiedliche Inhaltsebenen. Licht   macht sichtbar und hebt aus dem Dunkel hervor. In der  Wahrnehmungssteigerung durch Helligkeit sehe ich eine künstlerische Möglichkeit  wach zu halten und bewusst zu machen. Licht ist körperlos und von immaterieller  Erscheinung.
    
  Atem bedeutet  Leben, er begleitet uns ein Leben lang, ist lebenserhaltende Energiequelle und  beeinflusst die Lebensqualität. Zu allen Zeiten und in allen Kulturen wurde  Atem als wichtigste Lebensfunktion verstanden. Jeder Atemzug ist einzigartig  wie die Person selbst. Als Bindeglied zwischen Körper und Seele wurde er von  den Griechen in umfassenden Sinn verstanden. Psyche (altgr. ψυχή, psychä oder  psyché, für ursprünglich Atem, Atem-Hauch – von ψύχω ich atme) und zur  Umschreibung der ganzen Person verwendet. In der Auffassung von atmen und Atem  als Zeichen für Belebtheit bedeutete Psyche zunächst Lebendigkeit  und Lebenskraft, so dass sie auch als Lebensprinzip aufgefasst und  gleichbedeutend mit Leben verstanden werden konnte. Seelische Vorgänge,  Gefühlsregungen und Blockaden werden in unserer Atmung gespiegelt. 
  
    Der  Atem nimmt eine besondere Stellung als bewusster und unbewusster  Lebensvorgang ein, im Unterschied zu Tieren  denen dies nicht möglich ist.  Wenn wir  ihm keine Beachtung schenken fließt der Atem von selber unbewusst dahin. Wir  können den Atem lenken und bewusst kontrollieren. So kann man bewusst,  schneller oder langsamer atmen, für einige Augenblicke den Atem anhalten,  während wir uns einer anderen Tätigkeit zuwenden. Ein viel genanntes Ideal ist  passiv und aktiv zugleich in gelassener Ruhe zu atmen, während wir doch wach  und aufmerksam sind.
    
    In der Arbeit »ATEM« setze ich elektronisch  geregelte Ventilatoren im Rhythmus menschlicher Atmung ein, ich schaffe  »künstlich Leben« ?
    Ich möchte Lebendiges über künstlich Geschaffenes  fühlbar, bewusst machen. Ich enge »atmende« Luftpolster mit Acrylbändern (  codiert – Atem ) ein, die Luft presst gegen die Einschnürungen, der künstlich  erzeugte Atem wird durch diese Einengungen stärker spürbar und mit Licht  verstärkt sichtbar. Nur scheinbar lebendig, wird diese Atembewegung übertragen,  man »fühlt mit«, ist aber distanziert. Die Atmung als Beginn und Ende von  Leben.
Ein weiterer Bedeutungszusammenhang  besteht zwischen Atem und Wind und dem Atem als Bindeglied zwischen Körper und  Aussenraum. Im Lateinischen klingt in »anima« (Seele) und »spiramen« (Atmung),  das Wort »anemos« (Wind) an.
    So  ist der Wind der Atem des Universums und die uns umgebende Atmosphäre bestimmt  täglich unsere psychische Befindlichkeit.
    
    So  beginnt jeder Tag für mich nach dem Aufwachen mit einem ersten Blick aus dem  Fenster auf den Himmel und die Tagesstimmung, welche ich täglich in einem Foto,  als work in progress, festhalte. Im natürlichen Rhythmus des Jahreszeitenlaufs  ist die zyklische Zeit mit der Natur verbunden, im Gegensatz zum linearen  Zeitbegriff der Industriegesellschaften. Ein Leben lang beeinflussen die  Lichtzeiten unbewusst, subjektiv all täglich die psychische Stimmung und subjektive  Bewusstheit und Wahrnehmung.
    
    Dieses  Thema ist im sozial verbindenden »Reden über das Wetter« manifestiert und steht  gleichzeitig für Individualität und Intimität jedes Lebens.
Brigitte Pamperl